Mein Weg nach Marburg…
von Christian Edel
Das habe ich mich ehrlich gesagt auch gefragt und mir erst einmal einen Atlas zur Hand genommen. So erfuhr ich, dass Marburg in Mittelhessen weit ab von allem (mal abgesehen von Frankfurt) an der Lahn liegt. Ein Lexikon erweiterte meinen Horizont dahingehend, dass ich nun wusste, dass Marburg über 78.000 Einwohner, die frühgotische Elisabethkirche und ein spätgotisches Schloss verfügt. Der Grund, weshalb Marburg für die ZVS interessant wurde (und damit auch für mich) ist die Philipps-Universität, welche 1527 als erste noch bestehende protestantische Universität der Welt, von eben jenem gegründet wurde.
Auf meiner Antrittsreise vom Niederrhein zum Einschreibbüro merkte ich recht schnell, dass Marburg von der Deutschen Bahn nicht gerade geliebt wird. Dennoch entschloss ich mich der Stadt noch eine Chance zu geben, quartierte mich in der Jugendherberge ein und erkundete das, was für mich noch heute den größten Reiz dieser Stadt ausmacht: Die ungeheure Kneipendichte und das altertümliche, kleinstädtische Ambiente. Erfüllt wird all dieses (Spötter pflegen an dieser Stelle Ausdrücke wie Kleinstadtmief, Tourinepp oder Fachwerkmuff) von der großen Anzahl der Studenten. Da die Kernstadt selbst nur gute 50.000 Einwohner zählt, fallen die über 18.000 Studenten direkt auf. Dazu kommt noch, dass die Philipps Uni überall in der Stadt mit Instituten und Bibliotheken vertreten ist. Es gibt nicht umsonst das Sprichwort: „Marburg hat keine Universität, Marburg ist eine.“
Marburg bezeichnet sich zu recht als die Stadt der kurzen Wege. Mit etwas guten Willen und dem Semesterticket für den Nahverkehr (im Semesterbeitrag enthalten) braucht man wirklich kein Auto. Die bescheidene Größe der Stadt hat Vor- und Nachteile. Man trifft hier jeden den man treffen will, sei es vor der Mensa oder in der Oberstadt, es lässt sich einfach nicht vermeiden. Der Nachteil ist nur, man trifft auch die Leute, die man eigentlich nicht sehen will. Wenn man die Kunst des Smalltalks nicht vorher schon beherrscht, wird man sie hier lernen.
Wie gesagt sind an der ehrwürdigen „Alma Mater Philippina“ über 18.000 Studenten eingeschrieben, die sich auf 21 Fachbereiche verteilen. Man kann in Marburg so ziemlich alles studieren; von Jura über Biologie bis zu Kunstwissenschaften. Indem Marburg auf Studiengänge wie Maschinenbau oder Elektrotechnik verzichtet, ist der Anteil von männlichen und weiblichen Studenten sehr ausgewogen. In den letzten Jahrzehnten ist es zwar nicht mehr so oft vorgekommen, dass die Universität Nobelpreisträger hervorgebracht hat, aber dennoch können sich viele Fachbereiche international sehen lassen. Wenn man mal von den Unannehmlichkeiten des Grundstudiums absieht, so stellt sich spätestens im Hauptstudium eine recht angenehme Studienatmosphäre her. Die Hörsäle platzen nicht mehr aus den Nähten und selbst die Professoren können sich intensiver um jeden einzelnen kümmern. Von einem familiären Umfeld zu sprechen wäre sicherlich übertrieben, aber in Marburg geht man nicht einfach in der Masse unter wie in Berlin oder Köln.
Um es zusammenzufassen: Marburg ist nichts für Großstadtmenschen, die auf ein etwas mondäneres Leben Wert legen. Hier gibt es keine großen „Clubs“ (es sei denn man legt Wert darauf, das „Campus“ oder das „Shooters“ kennen zulernen und einen netten Abend mit Schülern und der Dorfjugend zu verbringen) und zum Einkaufen fährt man besser nach Frankfurt.
Dafür gibt es eine Menge Möglichkeiten das Studentenleben zu genießen, sei es in Kneipen, auf Unipartys, WG Partys oder beim Grillen an der Lahn. Wenn man nicht gerade jedes Wochenende nach Hause fährt und den Stundenplan auf Dienstags, Mittwochs, Donnerstag legt, findet man auch sehr schnell Anschluss; die meisten Kommilitonen sind mehr als aufgeschlossen. Man sollte Marburg also eine Chance geben; und wenn es einem nicht gefällt, kann man immer noch den Studienort wechseln.